»Wir müssen den Rechtsstaat täglich verteidigen«

Frau Leiding, Sie haben bei Ihrer Arbeit häufig mit Fällen zu tun, bei denen auf Grund des Bekanntheitsgrades der Angeklagten das öffentliche Interesse besonders groß ist. Wie verändert das Ihre Arbeit?
Anne Leiding: Für mich als Staatsanwältin, die sich mit den Tatsachen und Fakten des konkreten Falls auseinandersetzen muss, ändert sich im Grunde gar nichts. Denn was leider oft falsch gesehen wird, ist, dass es weder einen Prominenten-Malus noch einen -Bonus geben darf und auch nicht gibt – sie werden weder schlechter noch besser behandelt. Wir müssen darauf achten, dass bei Prominenten, wie bei jedem anderen Angeklagten auch, die Persönlichkeitsrechte beachtet werden. 

Nun sind Sie ebenfalls Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft.
Anne Leiding: Sie finden an jedem größeren Gericht oder an größeren Staatsanwaltschaften eigene Pressesprecherinnen beziehungsweise Pressesprecher. Es ist unsere Aufgabe, der Öffentlichkeit gegenüber die Handlungen der Justiz  verständlich zu machen. Wie zum Beispiel beim Fall des Marburger Waffenhändlers, der dem Amokläufer am Olympia-Einkaufszentrum die Tatwaffe verkauft hatte. Insbesondere für die Familien der Opfer war es von großer Bedeutung, dass die Aufarbeitung des Amoklaufs in München stattfand, auch deshalb haben wir den Fall von der zunächst zuständigen Staatsanwaltschaft Frankfurt übernommen. Wer könnte über diesen Fall den Medien und der Öffentlichkeit besser Rede und Antwort stehen als ein Mitglied der Staatsanwaltschaft, die das Verfahren angeklagt hat?

Wie wichtig sind Information und Transparenz in der Justiz für ein Funktionieren unseres Rechtsstaats? 
Anne Leiding: Beides trägt dazu bei. Nur wenn wir uns die Mühe machen, interessierten Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, wie und warum wir handeln, können wir das in Deutschland zu Recht bestehende Vertrauen in die Justiz erhalten. Man muss nur einmal über den Tellerrand schauen. Die Entwicklungen in verschiedenen Staaten außerhalb und innerhalb der EU sind besorgniserregend. Es ist erstaunlich, wie schnell es geht, dass der Rechtsstaat infrage gestellt wird. Gerade deshalb müssen wir ihn täglich verteidigen.