»Hier sind alle Gefühle erlaubt«

Straftäterinnen und Straftäter auf dem Rückweg in die Gesellschaft begleiten – das ist Thomas Horvaths Job. Seit 21 Jahren arbeitet er als Bewährungshelfer. Ein Gespräch darüber, was der Kontakt von Mensch zu Mensch in ihm auslöst.

Herr Horvath, warum sind Sie Bewährungshelfer geworden?
Thomas Horvath: Ich habe Sozialarbeit studiert und bin bei der Wahl des Themas für meine Diplomarbeit auf Bewährungshilfe gestoßen. Das klang für mich damals spannend und hat mich nicht mehr losgelassen. Meist hört man aus dem Fernsehen oder der Zeitung von Straftaten. Ich überlege mir dann: Wer macht sowas, und warum? In meinem Beruf geht es darum, genau das zu verstehen: Wie kam es zu der Straftat und was kann ich für die Person tun, damit sich das nicht wiederholt.

Wie nah gehen Ihnen die Schicksale Ihrer Probandinnen und Probanden?
Thomas Horvath: Natürlich nimmt mich die eine oder andere Geschichte auch mit. Ich bin niemand, der sein Gegenüber stark auf Distanz halten will. Im Gegenteil: Ich lasse Probanden bis zu einem gewissen Grad auch an meinem eigenen Leben teilhaben. Die Frage ist, ob ich an einer Situation etwas ändern kann. Manchmal bin ich eben einfach die Schulter, an der jemand loswerden kann, was er woanders nicht loswird. Bei mir sind alle Gefühle erlaubt, es sei denn, jemand wird aggressiv. 



Kommt es vor, dass Probandinnen beziehungsweise Probanden Ihnen gegenüber aggressiv auftreten?
Thomas Horvath: Ich selbst hatte so eine Situation noch nicht. Ich habe aber schon von Kollegen gehört, die sich mit Probanden unwohl fühlten. In diesem Fall macht man Hausbesuche nur noch, wenn es unumgänglich ist, und nimmt dann einen Kollegen mit. Außerdem haben wir mittlerweile Hilfsmittel wie „Sirrer“ – Geräte, die Lärm machen. Und wir absolvieren zum eigenen Schutz Selbstbehauptungskurse. 

Was passiert, wenn die gemeinsame Arbeit mit Ihren Probandinnen und Probanden abgeschlossen ist?
Thomas Horvath: Das endet oft nicht vom einen auf den anderen Tag. Wenn sich während der Bewährungszeit schon ein strukturiertes Netzwerk – etwa ein betreutes Wohnen oder Berufsbetreuer – um den Probanden herum ergibt, ziehe ich mich bereits ein Stück zurück. Ich glaube, ein Ziel von Bewährungshilfe ist, die Leute mit dem Hilfesystem in Deutschland vertraut zu machen. Wenn sie wissen, wo sie Hilfe bekommen und gelernt haben, sie anzunehmen, haben sie mich irgendwann nicht mehr nötig. Davon abgesehen können sich meine ehemaligen Probanden immer an mich wenden, solange ich den Job mache.

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